1889

Hagar Martin Brown wurde laut dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP am 14. Oktober in Westafrika geboren. Seine frühen Lebensumstände sind unbekannt, er wächst vermutlich in einer kolonial geprägten Umgebung auf, in der Schwarze Menschen unterdrückt und ausgebeutet werden.

1901

Im Alter von zwölf Jahren wird Hagar Martin Brown von Hans von Bleichröder, einem deutschen Bankier und kolonialen Profiteur, ins Deutsche Reich verschleppt. Die genauen Umstände seiner Verschleppung sind unklar, jedoch steht fest, dass Hagar Martin Brown gegen seinen Willen aus seinem Umfeld gerissen wurde. Im Deutschen Reich lebte er zunächst bei dem Kolonialherren Bleichröder. Er musste dort häusliche Arbeit und andere Dienste verrichten, wurde ausgebeutet und zur Schau gestellt. Der Name Brown wurde ihm aller Wahrscheinlichkeit nach aufgrund rassistischer Fremdzuschreibungen im Haushalt des Bankiers zugeteilt.

1903

Nach zwei Jahren wurde Hagar Martin Brown von Bleichröder verstoßen und musste sich eigenständig eine Existenz aufbauen. Er begann bei einem Zahnarzt zu arbeiten, fand später Anstellung in den Opel-Werken und nahm schließlich die Arbeit als Chauffeur auf.

1926

Hagar Martin Brown heiratete seine Ehefrau Paula, welche aus Büdingen in Hessen stammte. Das Paar zog nach Frankfurt am Main und gründete eine Familie. Die Ehe brachte zwei Kinder hervor: Bijou und Hortense. Die Familie führte ein einfaches Leben, jedoch waren sie auch in der Weimarer Republik rassistischen Beleidigungen und Angriffen ausgesetzt.

1931

Hagar Martin Brown verlor aufgrund rassistischer Diskriminierungen seine Anstellung als Chauffeur. Durch die Arbeitsverbote war die einzige Möglichkeit, seine Familie zu ernähren, die Selbstständigkeit als Taxiunternehmer wahrzunehmen.

1935–1936

Die Nürnberger Gesetze der Nationalsozialist*innen verschlechterten die Lebensumstände der Familie drastisch. Hagar Martin Brown wurde die Fahrerlaubnis auf Grund des 1933 verabschiedeten Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entzogen. Seine Autos, mit welchen er die Taxifahrten unternommen hatte, wurden mehrfach beschädigt. Zusätzlich kam es zu körperlichen Übergriffen, bei denen Hagar Martin Brown verletzt wurde. Somit war die Familie darauf angewiesen, staatliche finanzielle Unterstützung zu beantragen, was jedoch durch den Rassismus, der nach wie vor Gesellschaft und öffentliche Einrichtungen prägte, verhindert wurde.

1938

Am 18. Juni kontaktierte Paula Brown das Fürsorgeamt, um die prekäre Lage zu schildern. Der Direktor äußerte offen rassistische Drohungen gegen die Familie. Noch am selben Tag wurde Hagar Martin Brown von der Gestapo verhaftet und verhört. Nachbar*innen berichteten, dass er später schwer misshandelt nach Hause gebracht wurde. Die Misshandlungen führten zu dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen, von denen er sich nie erholte.

1940

Am dritten Juni verstarb Hagar Martin Brown im Marienkrankenhaus in Frankfurt am Main. Sein Tod war eine direkte Folge der Misshandlungen durch die Gestapo, wie spätere eidesstattliche Erklärungen von Ärzten belegten. Sein Tod hinterließ die Familie in einer existenziellen Krise, die Paula Brown dazu bewog, einen Antrag auf Entschädigung zu stellen.

1949–1952

Paula Brown kämpfte um eine sogenannte „Wiedergutmachung“ im Sinne einer finanziellen Entschädigung. Dabei wurde sie von den Behörden immer wieder herabgewürdigt und ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt. Mehrere Institutionen lehnten ihren Antrag bis 1952 ab, indem sie die Zusammenhänge zwischen Hagar Martin Browns Tod und den Misshandlungen leugneten. Ihr Kampf dauerte viele Jahre und war von Diskriminierung bestimmt. Der Direktor des Fürsorgeamtes, welcher die Familie Brown rassistisch bedroht hatte, saß in dem Gremium, welches über einen Antrag zur „Wiedergutmachung“ entschied. Somit wird der tief verwurzelte institutionelle und individuelle Rassismus der Nachkriegszeit deutlich, welcher auch heute noch wegen fehlender historischer Aufarbeitung in öffentlichen und individuellen Bereichen der Gesellschaft wirkt und sich in immer neu transformierenden Ausprägungsformen zeigt.

Bildnachweise

  • Kachel: Freunde Bockenheims e.V.
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